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Fluorochinolone: Entzündungen und Rupturen der Achillessehne - 2002

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Schorsch
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Fluorochinolone: Entzündungen und Rupturen der Achillessehne - 2002

#51

Beitragvon Schorsch » 31.10.2016, 20:13

Quelle: http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapi ... nolone.pdf


Fluorochinolone: Entzündungen und Rupturen der Achillessehne

Bitte unter der Verlinkung die orginal Fassung lesen. Die Datei beinhaltet statische Daten und div. Tabellen, welche Formatbedingt hier schlecht dargestellt werden.



Fluorochinolone: Entzündungen und Rupturen der Achillessehne

Seit Mitte der 90er Jahre ist bekannt, dass Fluorochinolone Sehnenschäden in Form
von Entzündungen und Rupturen (Inzidenzraten: Tab. 1, dazu Daten des
Spontanerfassungssystems Tab. 2) verursachen können. Präklinische in vitro- und in
vivo-Untersuchungen fanden zytotoxische und antiproliferative Effekte als
morphologische Korrelate für diese klinische Beobachtung. Nach den Ergebnissen
dieser präklinischen sowie von epidemiologischen Studien ist das Risiko für
Sehnenschäden unter den verschiedenen Mitgliedern der Fluorochinolon-Klasse
allerdings ungleich verteilt. Nach einer retrospektiven Kohortenstudie betragen die
Inzidenzraten für Sehnenerkrankungen 10/10.000 Verordnungen für Norfloxacin,
44/10.000 für Ciprofloxacin und 96/10.000 für Ofloxacin. Das relative Risiko (95 % KI)
für eine Achillessehnenerkrankung unter Einnahme von Fluorochinolonen betrug für
alle Fluorochinolone zusammen 3.7 (0.93 - 15.4), für Ofloxacin jedoch 10.1 (2.2 -
46.0). Levofloxacin ist das chemische L-Isomer von Ofloxacin und diesem daher
strukturell eng verwandt. Zu diesem erst seit kurzem auf dem Markt befindlichen
Derivat liegen gehäufte Meldungen vor.

Berichte aus Spontanerfassungssystemen
Über Sehnenschäden in Zusammenhang mit der Anwendung von Levofloxacin
wurde international (Stichtag 31.07.2001) in 1220 Fällen und in Deutschland in 115
Fällen (Stichtag 10.12.2001) berichtet. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um
Entzündungen und Rupturen der Achillessehne, wobei das Risiko mit zunehmendem
Alter wächst. 67,7% der Meldungen betreffen Patienten über 60 Jahre. Tendinitis und
Ruptur können beidseitig auftreten. Dabei kann es ohne Prodromalzeichen zur
Ruptur kommen. In der Regel geht ihr aber eine längere Phase der Tendinitis voraus.
Das Risiko für Sehnenschäden unter Levofloxacin ist offenbar nicht dosisabhängig,
denn jeweils 6,5 bzw. 11.1% der betroffenen Patienten hatten Dosierungen von
weniger bzw. mehr als der üblichen mittleren Tagesdosis von 500 mg erhalten.
Kortikosteroide stellen einen unabhängigen Risikofaktor für Sehnenschäden dar.
Systemisch oder inhalativ verabreichte Steroide in der Komedikation erhöhen daher
das Risiko zusätzlich
. Sie trugen in etwa einem Drittel (35 %) der unter Levofloxacin
gemeldeten Fälle zum Ereignis bei.
Entzündungen und Rupturen der Achillessehne können bereits innerhalb der ersten
Stunden nach Beginn der Einnahme, aber auch erst mit einer Latenz von mehr als 4
Wochen nach Therapieende auftreten
. Auch diese klinische Beobachtung findet ihr
Korrelat in den Ergebnissen präklinischer Untersuchungen, wonach Fluorochinoloninduzierte
Sehnenschäden über mehrere Monate persistieren können. Ohne den
zeitlichen Zusammenhang aber wird der behandelnde Arzt nur in Ausnahmefällen
dennoch einen Kausalzusammenhang mit der bereits abgeschlossenen Antibiose
herstellen.
Die Fa. Aventis schreibt mit Datum 19.12.2001 an alle deutschen Ärzte, in Frankreich
- nicht aber in Deutschland - sei ein unerwarteter Anstieg von Fallberichten erfolgt.
Dies trifft auch nach unserer Datenbank zu. Dennoch verweisen wir auf die auffällig
häufigen Meldungen, die das „Muskel- und Skelettsystem“ betreffen (s. Tab. 2).
Tendinitis und Ruptur der Achillessehne beim älteren Patienten
Das bei Patienten nach dem 60. Lebensjahr erhöhte Risiko für Schäden an der
Achillessehne vereint mehrere Negativaspekte in sich.
Die Achillessehne dürfte die für die Mobilität des Menschen wichtigste Sehne des
Körpers sein. Viele ältere Patienten sind bereits durch andere Erkrankungen in ihrer
Beweglichkeit eingeschränkt. Entzündungen wie Ruptur der Achillessehne können
aber nur durch vollständige Ruhigstellung der betroffenen Extremität behandelt
werden. Diese völlige Immobilisation der betroffenen Extremität ist bereits bei einer
Entzündung der Sehne zu empfehlen, da es sonst auch noch nach mehreren
Wochen und trotz der Besserung der Beschwerden zu einer Ruptur der betroffenen
Sehne kommen kann. Die empfohlene Immobilisationsdauer bei einer
Achillessehnenruptur beträgt mindestens 8 Wochen. Die Immobilisation des älteren
Menschen kann aber – neben den bekannten thromboembolischen Komplikationen -
dazu führen, dass das vorherige Leistungsniveau nicht wieder erreicht wird. Zudem
leben überdurchschnittlich viele Ältere (wieder) allein und sind darauf angewiesen,
sich selbst versorgen zu können. In einigen Fällen wird von mehrmonatigen
Rehabilitationsmaßnahmen bzw. von dauerhafter Gehbehinderung berichtet.

Schlussfolgerungen
Beim älteren Patienten ist die Behandlung leichter bis mittelschwerer Infektionen mit
Levofloxacin verbunden mit einem erhöhten Risiko für Entzündung und Ruptur der
Achillessehne. Obwohl nicht häufig, hat diese unerwünschte Wirkung doch im
Einzelfall für den Patienten schwerwiegende medizinische und soziale
Konsequenzen, letztere bedingt durch den vorübergehenden oder dauerhaften
Verlust der selbstständigen Versorgung. Auch die Folgekosten im Fall einer längeren
Immobilisation bei Tendinitis bzw. der stationären und rehabilitativen Versorgung bei
Achillessehnenruptur sind erheblich. Es empfiehlt sich, diese Aspekte in eine
Therapieentscheidung einzubeziehen.
Bevor man Fluorochinolone alten Menschen verordnet, ist zu fragen, ob nicht ein
erprobtes anderes Antibiotikum, z. B. bei Atemwegsinfektionen ein Makrolid, weniger
risikoreich ist. Unbestritten ist allerdings die Überlegenheit der Fluorochinolone bei
septischen Harnwegsinfekten und der Sigmadivertikulitis als typischen Infektionen
älterer Menschen.

Fazit
Das Risiko für ein- oder beidseitige Entzündung und/oder Ruptur der Achillessehne
unter Fluorochinolonen ist insbesondere bei älteren Patienten erhöht. Die
Symptomatik kann bereits während der ersten Stunden nach Behandlungsbeginn,
aber auch erst mit mehrwöchiger Latenz nach Therapieende auftreten. Das Risiko
steigt mit zunehmendem Alter sowie durch Kortikosteroide in der Komedikation an,
ist aber nach heutigem Wissensstand nicht dosisabhängig.
Levofloxacin scheint mehr betroffen zu sein als andere Fluorochinolone. Die
Therapie erfordert eine mehrwöchige Immobilisation mit allen denkbaren
Konsequenzen. Fluorochinolone sollten insbesondere bei alten Menschen nur bei
zwingenden Indikationen (z. B. schwere Harnwegsinfektion, Sigmadivertikulitis)
gegeben werden. Für Atemwegsinfektionen stehen andere langerprobte,
risikoärmere und billigere Antibiotika zur Verfügung.
Bei jedem Verdacht auf eine Tendinitis oder Ruptur der Achillessehne ist eine
genaue Medikamentenanamnese erforderlich.

Literatur
1. Fenwick SA et al.: Flouroquinolone antibiotics have differential effects on human
tendon cell metabolism. Rheumatology 2000; 39, Suppl 159.
2. Kashida Y, Kato M: Characterization of fluoroquinolone-induced Achilles tendon
toxicity in rats: comparison of toxicities of 10 fluoroquinolones and effects of antiinflammatory
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2393.
3. Shakibaei M et al.: Quinolone-induced changes in Achilles tendons from rats
persist for several months. J Antimicrob Chemother 2001; 47 S1, 49 Abstr: 130.
4. Simonin MA et al.: Pefloxacin-induced Achilles tendon toxicity in rodents:
biochemical changes in proteoglycan synthesis and oxidative damage to
collagen. Antimicrob Agents Chemother 2000; 44: 867 – 872.
5. Van der Linden PD et al.: Fluoroquinolones and Achilles tendon rupture.
Pharmacoepidemiology and Drug Safety 2000; 9: 132.
6. Van der Linden PD et al.: Fluoroquinolones and Achilles tendon disorders.
Pharmacoepidemiology and Drug Safety 2000; 9: 124.
7. Wilton LV et al.: A comparison of ciprofloxacin, norfloxacin, ofloxacin,
azithromycin and cefixime examined by observational cohort studies. Br J Clin
Pharmacol 1996; 41: 277 – 284.
Levofloxacin zwei Tage je 500 mg Kapsel im Juli 2015

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