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Herstellerstudien vs unabhängige Studien - bis zu Faktor 100 Abweichung

spacerat
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Herstellerstudien vs unabhängige Studien - bis zu Faktor 100 Abweichung

#1628

Beitragvon spacerat » 12.09.2017, 17:16

LEVOFLOXACIN

Laut Levofloxacin-Hersteller Daiichi vertragen Ratten eine 26-wöchige orale Verabreichung von 20 mg/kg Levofloxacin ohne signifikante Nebenwirkungen ("no-effect dose" -> NOAEL – Wikipedia).
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1622434)

Laut unabhängigen Toxikologen entwickeln Ratten nach 7-tägiger oraler Verabreichung von 5 mg/kg Levofloxacin Leber- und Nierenschäden.
(https://www.hindawi.com/archive/2015/385023/)



MOXIFLOXACIN

Laut Moxifloxacin-Hersteller Bayer entwickeln Ratten nach 13-wöchiger oraler Verabreichung von 500 bis 750 mg/kg Moxifloxacin Leberschäden.
(Preclinical safety evaluation of moxifloxacin, a novel fluoroquinolone)

Laut unabhängigen Toxikologen entwickeln Ratten nach 7-tägiger oraler Verabreichung von 4 mg/kg Moxifloxacin Leber- und Nierenschäden.
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4621322/)

spacerat
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Re: Herstellerstudien vs unabhängige Studien - bis zu Faktor 100 Abweichung

#1633

Beitragvon spacerat » 13.09.2017, 08:06

Laut Ciprofloxacin-Hersteller Bayer beträgt die toxische Dosis von Ciprofloxacin nach intravenöser Verabreichung an Ratten 125 bis 300 mg/kg (Ø 212 mg/kg). Die von Bayer beobachtete "significant toxicity" macht sich in Form von "convulsions" (Krampfanfällen) bemerkbar.
(https://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/05 ... 1-7-05.pdf)

Es ist davon auszugehen, dass Bayer mit "signifikanter Toxizität" tatsächlich LD50 meint, denn diese beträgt bei der Ratte nach intravenöser Verabreichung von Ciprofloxacin 207 mg/kg.
(https://chem.nlm.nih.gov/chemidplus/rn/85721-33-1)

Werden Krampfanfälle als Indikator für eine signifikante Toxizität bzw. LD50 herangezogen, dürfte letztere im Fall von Ciprofloxacin niedriger sein als vom Hersteller angegeben: Laut unabhängigen Studienergebnissen entwickeln Ratten nach einmaliger intraperitonealer Gabe von 6 mg/kg Ciprofloxacin Krampfanfälle - allerdings wurden hier keine LD50-Werte erhoben.
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4202555/)

(Randnotiz: Die Art der Verabreichung spielt im Vergleich der beiden Resultate eine untergeordnete Rolle, da die Bioverfügbarkeit einer Substanz nach intraperitonealer Verabreichung nicht besser oder schlechter ist als nach íntravenöser Verabreichung:
https://www.researchgate.net/post/How_d ... _injection
Im Fall des potentiellen Metaboliten Fluoracetat hat die Art der Verabreichung keinerlei Einfluss auf dessen Toxizität:
"There is no noteworthy difference between the toxicities of orally, subcutaneously, intramuscularly, intraperitoneally or intravenously administered methyl or sodium fluoroacetate.“
Monofluoroacetic Acid and Related Compounds
"Routes of administration had little effect on 1080 toxicity. Oral dosages were as toxic as subcutaneous, intramuscular, intravenous, and intraperitoneal dosages.“
Eisler's Encyclopedia of Environmentally Hazardous Priority Chemicals)

Laut einer experimentellen Studie zur Verträglichkeit von liposomalem Ciprofloxacin betrug die maximal tolerierte Dosis (MTD) von gewöhnlichem Ciprofloxacin nach intravenöser Gabe an Ratten mit starker Erregerbelastung 20 mg/kg und bei Ratten mit schwacher Erregerbelastung 40 mg/kg. (Bei der MTD sollen toxische Effekte auftreten, die jedoch die Lebenserwartung der Tiere noch nicht beeinträchtigen.) Bei Überschreitung der MTD kam es zu akuter Toxizität in Form von Krampfanfällen, Irritabilität und Bewußtseinstrübung. Interessanterweise starben 10 von 12 Tieren mit starker Erregerbelastung, welche 7 Tage lang 2 mal täglich 20 mg/kg gewöhnliches Ciprofloxacin i.v. erhielten - die Autorin gibt hierzu keine Details preis, suggeriert jedoch, dass die hohe Mortalität durch eine erregerspezifische Septikämie bedingt gewesen sei. (Toxikologen weisen jedoch auf folgendes Detail hin: "In some instances, fluoroacetate has been shown to lower the resistance of infected animals and hence to decrease the survival time.“ FLM Pattison, Toxic Aliphatic Fluorine Compounds. Amsterdam 1959, S. 187.) In einer weiteren Gruppe starben 9 von 15 Tieren mit starker Erregerbelastung, die 7 Tage lang 2 mal täglich 40 mg/kg Ciprofloxacin i.v. erhielten - hier wurde die o.g. Symptomtrias bei 8 der 9 verstorbenen Tiere beobachtet, was eine LD50 nahelegt (s. Tab. 2: % Survival (no.) -> 38 (15), Hinweis b).
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC127349/ -> https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articl ... /table/t2/)

Diese Symptomtrias tritt auch bei Ratten nach Verabreichung der minimal tödlichen Dosis (MLD) 3-Fluortyrosin auf, welche 12.5 mg/kg beträgt:
“The signs of toxicity noted were characterized by periods of convulsion and hyperirritability alternating with intervals of extreme lethargy (Boyer et al., 1941). These were similar to signs described by Litzka (1936a)...“
(Pharmacology of Fluorides) und (http://jpet.aspetjournals.org/content/73/2/176)

Ob die Überlebensrate in der Versuchsgruppe mit schwacher Erregerbelastung gegenüber der o. g. Gruppe höher war, lässt sich nicht nachvollziehen, denn hier wurden alle mit gewöhnlichem Ciprofloxacin behandelten Tiere bereits nach 3- bis 7-tägiger Wirkstoffverabreichung getötet (der u. g. Zeitpunkt der Beimpfung mit dem Erreger spielt für die LD50 keine Rolle):
"treatment at 12-h intervals for 3 days... At the end of treatment (7 days after bacterial inoculation), rats were sacrificed...
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articl ... figure/f1/)
"treatment at 12- or 24-h intervals for 7 days... At the end of treatment (11 days after bacterial inoculation), rats were sacrificed..."
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articl ... figure/f2/)

Jedoch ist für die Bestimmung einer LD50 bei Substanzen, die zu Fluoracetat konvertiert werden können, ein mehrwöchiger Beobachtungszeitraum ausschlaggebend:

3-Fluortyrosin
"Die zuerst versuchte Menge von 30 mg/kg erwies sich bei 5 Tieren angewandt auf die Dauer als nicht tragbar. Nach 2 bis 3 Tagen traten nach der Fütterung Krämpfe auf. In 24 Stunden hatten sich die Tiere erholt, wurden aber immer schlapper und starben nach 9-17 Tagen. Die Substanz kumulierte offenbar..."
(Über die Wirkung einiger organischer Fluoride bei chronischer )

"10 mg/kg: 6 Tiere. Die Tiere wurden meist kachektisch, starben nach 4 Wochen oder wurden vorher getötet."
(Über die Wirkung von Fluor in organischer Bindung auf )

5-Fluorouracil
„The toxicity of both the 5-fluorouracil and the 5-fluoroorotic acid [in mice] is characterized by delayed death, such as has been observed with other carcinostatic compounds. For this reason, a comparatively long observation time of 10-20 days was necessary..."
(http://cancerres.aacrjournals.org/conte ... 5.full.pdf)

Fazit: Da alle exponierten Tiere zusätzlich mit einem Erreger beimpft waren und die Autorin eine erhöhte Mortalitätsrate primär auf den Erreger zurückführt bzw. exponierte Ratten mit schwacher Erregerbelastung zu früh tötete, kann die Studie nur bedingt als Referenz für eine ableitbare LD50 dienen. Allerdings stellt sich bzgl. der auffällig niedrigen MTD-Werte und der an Fluoracetatvergiftungen erinnernden Symptomatik einmal mehr die Frage nach der tatsächlichen LD50 der Fluorchinolone.

In diesem Kontext sollte ergänzt werden, dass die MTD für den Fluoracetatvorläufer 5-Fluorouracil (Ratte, i.v.) 50 mg/kg beträgt.
(https://bmccancer.biomedcentral.com/art ... 407-12-448)

Jedoch hat 5-FU beim Kaninchen eine LD50 von nur 15 (i.v.) bis 19 mg/kg (oral), was in etwa mit den LD50-Werten von 3-Fluortyrosin im Rattenversuch korreliert.
(https://de.wikipedia.org/wiki/5-Fluoruracil)

Dies legt nahe, dass die o. g. MTD für 5-FU (Ratte, i.v.) bereits einer LD50 entspricht. Tatsächlich ist die offizielle LD50 für Ratten (oral, i.v.) mit 230 mg/kg ungewöhnlich hoch.
(https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compou ... ty-Summary)

Dieser Wert scheint insofern klärungsbedürftig, als die LD50 des maßgeblichen 5-FU-Metaboliten Fluoracetat beim Kaninchen 0.5 mg/kg beträgt, jedoch bei der Ratte schon ab 0.1 mg/kg beginnt.
(http://www.inchem.org/documents/pims/ch ... pim494.htm)

Es ist also davon auszugehen, dass auch bei 5-FU an den LD50-Werten geschraubt wurde. Die LD50 der Fluorchinolone dürfte sich in einem Bereich zwischen 30 und 50 mg/kg einpendeln, da FC im Vergleich mit 3-FT und 5-FU eine höhere molare Masse und einen etwas niedrigeren F-Anteil haben.


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